Autor und Coach
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Politik, Religion und Wissenschaft ebenso wie das Alltagsleben wurden in der Frühen Neuzeit durch Astrologie, Prophetie und Horoskopie beeinflusst. Ausgehend von einer bestimmten Konstellation der Gestirne kündigten sie auch besonders schreckliche Ereignisse an, die nicht selten große Unruhe in der Bevölkerung auslösten. Oft war damit der Hinweis auf das bevorstehende Ende der Zeiten verbunden. War das Scharlatanerie oder seriöse Wissenschaft? Mehr…
Das Lehrgebäude der Astronomie geht von einem geozentrischen System aus, in dem Sonne, Mond, Planeten und das mächtige Gewölbe des Fixsternhimmels die Erde als Zentralkörper umkreisen. Zu den fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur kommen die auffälligsten Himmelskörper Sonne und Mond. Da sie die Erde auf Kugelschalen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit umkreisen, scheinen sie am Firmament zu wandern. Mehr…
Die geräuschlose Welle
Das Hochwasser hat die Flüsse weiter gefährlich ansteigen lassen. Die Badstube liegt vor der Stadtmauer, direkt am großen Fluss. Sie droht überflutet zu werden. Der Bader missachtet die Lebensgefahr für seine Kundschaft und öffnet seine Stube.
Heute findet das große Saufgelage mit einigen Ausschweifungen statt, das er schon vor einigen Wochen angekündigt hat und das er sich einiges kosten lässt. Bald kommen die ersten Gäste. Mehr…
Politik, Religion und Wissenschaft ebenso wie das Alltagsleben wurden in der Frühen Neuzeit durch Astrologie, Prophetie und Horoskopie beeinflusst. Ausgehend von einer bestimmten Konstellation der Gestirne kündigten sie auch besonders schreckliche Ereignisse an, die nicht selten große Unruhe in der Bevölkerung auslösten. Oft war damit der Hinweis auf das bevorstehende Ende der Zeiten verbunden. War das Scharlatanerie oder seriöse Wissenschaft?
Georg, der Gehilfe des berühmten Theologen, Astronomen und Astrologen Johannes Stöffler, tötet in Notwehr den stadtbekannten Trunkenbold Stefan Mader, der ihn fälschlicherweise für seinen Zwillingsbruder Martin hält.
Bei der Beerdigung im Haus des Verstorbenen erkennt Kilian Mader, der Sohn des Trinkers, in Martin angeblich den Mörder seines Vaters. Als Student landet Martin im Karzer. Sein Bruder Georg, der die schwangere Hilda, einer Magd im Haus Stöffler, liebt, will den inhaftierten Martin überzeugen, vorerst die Schuld auf sich zu nehmen, damit die Heirat und somit eine gemeinsame Zukunft mit dem Kind möglich werden. Allerdings wird die juristische Aufklärung der wahren Umstände, die zu diesem Mord geführt haben, durch einen Brand und die Vorhersage einer bevorstehenden Sintflut erschwert.
Stöfflers Vorhersage, dass eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Planetenkonstellationen im Tierkreis der Fische im Februar 1524 große Veränderungen mit sich bringen wird, wird von anderen Astrologen als eine Sintflut interpretiert, die Land und Leute vernichten wird. Nun stehen zwei Fragen im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion: Wird die Sintflut tatsächlich eintreten? Und: Kann man der Astrologie trauen und ihre Vorhersagen ernst nehmen oder handelt es sich um Scharlatanerie? Die Antworten der Geistlichen und staatlichen und wissenschaftlichen Autoritäten fallen unterschiedlich aus.
In Tübingen, wo Stöffler lebt, löst sich einen Monat vor der angekündigten Sintflut jegliche Ordnung auf. Die Menschen sind nur noch damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Wie soll man der Prüfung Gottes begegnen? Fliehen oder ausharren?
Das Lehrgebäude der Astronomie geht von einem geozentrischen System aus, in dem Sonne, Mond, Planeten und das mächtige Gewölbe des Fixsternhimmels die Erde als Zentralkörper umkreisen. Zu den fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur kommen die auffälligsten Himmelskörper Sonne und Mond. Da sie die Erde auf Kugelschalen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit umkreisen, scheinen sie am Firmament zu wandern.
Dieses Weltbild eignet sich hervorragend für die Astrologie, da ein Beobachter auf der Erde die Bewegungen ihrer Gestirne mit mathematischen Methoden gut nachvollziehen und durch systematische Beobachtung der Gestirne und die Aufzeichnung ihrer regelmäßigen Bewegungen ihre Stellung im Voraus berechnen kann.
Diese wissenschaftliche Astrologie strahlt in viele Alltagsbereiche aus: Ihre stellar begründeten Prognosen können Paniken verursachen, für konfessionelle Auseinandersetzungen benutzt werden und die Bevölkerung zur Vernachlässigung der Arbeit und zu unnützen Geldausgaben veranlassen.
Bestimmte Gestirnkonstellationen werden zu den göttlichen signa gerechnet. Diese Zeichendeutung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Astrologie. Für die Astrologen sind die Planeten die treibenden Kräfte am Himmelszelt und die Indikatoren, die das Schicksal des Geborenen offenlegen. Ihr Hauptinteresse gilt den Planetenbewegungen vor dem Hintergrund der Gestirnsformationen des Tierkreises, der ‚Wanderstraße‘ am Himmel für ihre scheinbare Bahn durch zwölf Sternbilder. Astrologischer Anschauung entspricht es, den einzelnen Sternbildern bestimmte Wirkungsqualitäten zuzuschreiben. Sie werden eingeteilt in feurige (Widder, Löwe, Schütze), irdische (Stier, Jungfrau, Steinbock), luftige (Zwillinge, Wage, Wassermann) und in wässrige Zeichen (Krebs, Skorpion, Fische).
Trotz dieser allgemein anerkannten Qualitäten kommt es zum Streit unter den Astronomen / Astrologen um die 1499 gestellte ‚Sintflutprognose‘ zum Jahre 1524. Die Deutungs- und Denkmuster der europäischen Wissenschaftler in dieser Debatte können unterschiedlicher nicht sein.
Auch die Planeten haben ihre Wirkungssphären.
Der Saturn sei beispielhaft vorgestellt:
Als erster und äußerster Planet ist er von kalter und trockener Beschaffenheit. Auf das irdische Geschehen wirkt er verderblich ein. Das Unheil, das er anrichtet, vollzieht sich langsam und dauert lange.
Hans Baldung Grien hat ihn 1516 in einer Kreidezeichnung dargestellt:
Finsteres Gesicht und faltige Haut, ungekämmtes Strubbelhaar und schütterer Bart, die Nase von Schlägen plattgedrückt und die Lippen mürrisch zusammengepresst, tief liegende, mörderische Augen, die lauernd nach rechts blicken, und schließlich, als Warnzeichen, eine Zornesader, die an der Stirn anschwillt. Wehe dem, der in seinem Zeichen geboren ist: Er wird melancholisch, ist von diebischer Natur, neidisch und gehässig, seine Gebärden sind unsittlich, seine Gedanken niedrig, unkeusch, boshaft und grob, sein Sinn steht auf Saufen und Fressen, sein ganzes Wesen zielt auf Betrug.
Kein Wunder, dass Georg alles dafür tut, sein Kind dem Einfluss dieses Planeten zu entziehen.
Die geräuschlose Welle
Das Hochwasser hat die Flüsse weiter gefährlich ansteigen lassen. Die Badstube liegt vor der Stadtmauer, direkt am großen Fluss. Sie droht überflutet zu werden. Der Bader missachtet die Lebensgefahr für seine Kundschaft und öffnet seine Stube.
Heute findet das große Saufgelage mit einigen Ausschweifungen statt, das er schon vor einigen Wochen angekündigt hat und das er sich einiges kosten lässt. Bald kommen die ersten Gäste. Sie treten ein und besiegeln mit einem Pflaumenschnaps ihren festen Vorsatz, die letzten Tage ihres Lebens nur noch zu genießen. Am Schanktisch setzt sich der Witwer Sebastian Vogel, genannt Basti, auf eine Bank und lehnt sich an die Wand.
»Guter Gott, Freund, die blühenden Brüste dieser Frauen hier entzücken mich immer wieder neu«, schwärmt der eintretende Jörg. Kaum hat er auf einem Stuhl Platz genommen, kommt Ursula zu ihm, setzt sich rittlings auf seinen Schoß, und er vergräbt sein erregtes Gesicht in ihre üppigen Brüste. Als sie seine Erregung spürt, prustet sie ihm ins Gesicht: »Das sp…, das spannen…, das spannenlange Stück«, sie deutet die Länge zwischen der gespreizten Daumen- und der kleinen Fingerspitze an, »vom Ober…, vom Oberzunftmeister der Stadt beleben mich … immer wieder.« Basti bricht in schallendes Gelächter aus. »Eine Spanne ist ziemlich lang«, stellt er kennerhaft fest. »Ja, aber die Ureinwohner Amerikas übertreffen sie um einiges«, mischt sich Leonhard ein, der entspannt im Hintergrund in einem Holzzuber liegt.
»Was meinst du damit?«, fragt Basti, während er das Mieder seiner Dame aufschnürt, die sich ihm gerade andient.
»Ach, vergiss es, mein Freund. Ich will dich nicht beleidigen«, kommt es von Leonhard zurück.
Jörg versucht sich aufzusetzen, doch die Baderin verschließt ihm den Mund und widmet sich ihren Liebesdiensten, so dass Jörg nur noch ein keuchendes Stöhnen ausstößt.
»Nicht so schnell, mein Freund«, tadelt ihn Basti lachend. »Ich weiß ein Mittel, das dir helfen wird. Koche zwei Zwiebeln in Wasser und wenn es abgekühlt ist, badest du ihn darin. Unfehlbar, das garantiere ich dir.«
Jörg schiebt Ursula von sich und blickt in Bastis Richtung: »Schnauze!«, raunzt er ihn verärgert an.
Leonhard feixt.
Basti will die Geschichte von Leonhard hören. »Was hast du vorhin über die Eingeborenen in Indien gesagt? Stimmt es, dass sie tiefer ins Himmelreich einrücken?«
»Ach, das hat mir ein Seemann erzählt, der dort unten war. Sie sind zwar viel kleiner als wir, dennoch haben sie riesige Stöcke. Und noch etwas: Ein anderer Kunde, der in Afrika war, hat mir erzählt, dass sie sich dort beschneiden lassen, weil es den Frauen so viel besser gefällt.«
Die anwesenden Damen kichern. »Stellt euch vor, ihr würdet euch beschneiden lassen, dann wärt ihr noch mehr im Rückstand«, gluckst Ursula.
Jörg grübelt über das Gehörte weiterhin nach: »Was du gerade über die Eingeborenen gesagt hast, ist doch Blödsinn, Leonhard, oder?« Als die Antwort lautet: »Armlang, Jörg, armlang«, ist es um ihn geschehen. Er nimmt einen langen Zug aus der Flasche, fällt der Länge nach aufs Bett und wird mit einem mitleidigen Lächeln zugedeckt.
Was ist das? Das Lächeln gefriert auf den Gesichtern. Alle horchen angestrengt. Der Neckar rauscht so ungestüm, dass alle sofort an Flucht denken. Aber da hat sie das Wasser schon erreicht. Mit kehligem Grollen donnern hohe, schlammige, sich überschlagende Wellen in den Schankraum. Sie reißen alles mit sich, was sich ihnen in den Weg stellt. Die Anwesenden begreifen nicht, wie ihnen geschieht. Sie werden von den Fluten durch Fenster und Türen des Hauses geschleudert, Gliedmaßen werden zerquetscht und verstümmelt. Sie verschwinden in den Fluten, als wären sie nie dagewesen. Die Luft ist erfüllt von einem Brausen, das Flüche und Obszönitäten mit sich reißt. Niemand überlebt. Von dem Badehaus ist nichts mehr zu sehen. Was von den Fluten mitgerissen wurde, staut sich an der Brücke und verstopft ihre Durchlässe. Die Brückenpfeiler drohen zu brechen. Das Wasser strömt machtvoll über den Brückenweg hinweg.